Deutsch, Julius

2.2.1884, Lackenbach (Burgenland) – 17.1.1968, Wien

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TF_Deutsch_Julius_jung_VGADer Buchdruckerlehrling Julius Deutsch engagierte sich bereits mit 15 Jahren im Verein jugendlicher Arbeiter, dessen Vorstand er angehörte, und bereitete sich nebenbei auf die Reifeprüfung vor. Julius Deutsch studierte Rechtswissenschaften und promovierte im Jahr 1908. Ab 1909 war er im Zentralsekretariat der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei tätig.

Im Ersten Weltkrieg kämpfte Deutsch an der italienischen Front und wurde im Jahr 1917 als Vertreter der Gewerkschaften ins Kriegsministerium berufen. Deutsch nützte diese Zeit zum Aufbau einer Vertrauensmännerorganisation in der Wiener Garnison, die bei der Errichtung der Volkswehr eine zentrale Rolle spielte.

1918 wurde Julius Deutsch Unterstaatssekretär, 1919 Staatssekretär für Heerwesen; in dieser Funktion organisierte er die "Deutschösterreichische Volkswehr", ein "Übergangsheer", das v.a. aus Freiwilligen bestand, die dem sozialdemokratischen Lager angehörten.

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Da der Vertrag von Saint-Germain jedoch nur die Errichtung eines kleinen Berufsheeres gestattete, wurde die Volkswehr bald darauf aufgelöst; viele ihrer Mitglieder schlossen sich in der Folge dem Republikanischen Schutzbund an, der im März 1923 seine erste Vorstandssitzung hatte. Zum Obmann wurde Julius Deutsch gewählt, zu seinen Stellvertretern Friedrich Adler und Johann Pölzer. Ab 1923 lebte Julius Deutsch mit der Wiener Gemeinderätin Marie Kramer zusammen, über den Status der Beziehung gibt es unterschiedliche Angaben.

Darüber hinaus war Julius Deutsch auch Vorsitzender des Österreichischen Arbeiter-Turn- und Sportbundes, sein Stellvertreter war Stadtrat Julius Tandler – Konflikte, ob sich der Sportbund mehr dem "Erziehungssport" oder dem "Kampfsport" widmen solle, waren somit vorprogrammiert. Als am 1. Mai 1932 die Arbeiterturner – statt am Rathausplatz als Athleten aufzutreten – zu Darbietungen des Schutzbundes ins Stadion abkommandiert werden sollten, schrieb Tandler an Deutsch: Wo am 1. Mai die feindseligen Handlungen unserer Gegner im Stadion sein werden, weiß ich nicht...

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Von 1919 bis 1933 gehörte Deutsch dem Nationalrat an und war von 1920 bis 1932 Parlamentskommissär für Heereswesen. Bis 1934 blieb Julius Deutsch auch Kommandant des Republikanischen Schutzbundes: Die Arbeiterbewegung will den Weg zum Sozialismus friedlich zurücklegen. Die Ordnerorganisation soll dazu beitragen, dass dieser Weg von den faschistischen Wegelagerern freigehalten wird.

Am 12. Februar versuchte Julius Deutsch gemeinsam mit Otto Bauer vom Ahornhof in Favoriten aus den Kampf der Arbeiterschaft zu organisieren.

Als die Niederlage offenkundig war, flohen Bauer und Deutsch, die im Falle ihrer Verhaftung mit dem sicheren Todesurteil zu rechnen gehabt hätten, auf getrennten Wegen in die Tschechoslowakei. In Brünn errichteten sie schließlich das Auslandsbüro der österreichischen Sozialdemokraten.

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Von 1936 bis 1939 war Deutsch als General der republikanischen Truppen im Spanischen Bürgerkrieg engagiert und kommandierte die Küstenverteidigung; nach der Niederlage floh er über Frankreich, England und Kuba in die USA, wo er sich aktiv für die Wiederherstellung eines selbständigen Staates Österreich einsetzte. 1941 heiratete er hier die Schriftstellerin Adrienne Thomas.

Julius Deutsch kehrte 1947 nach Österreich zurück, wo er Leiter der Sozialistischen Verlagsanstalten wurde; in der Politik konnte er allerdings nicht mehr Fuß fassen. Deutsch kritisierte, dass die SPÖ im Regierungsbündnis mit der ÖVP eine "rechte Politik" betreibe und dass sie die großen Traditionen der Arbeiterbewegung preisgegeben habe. 1951 legte er deshalb alle Funktionen zurück und widmete sich der historischen und politischen Schriftstellerei.

Zwei Tage vor seinem Tod hielt Julius Deutsch noch einen Vortrag in der Volkshochschule Brigittenau, musste unmittelbar darauf wegen Kreislaufschwäche ins Krankenhaus gebracht werden, wo er verstarb.

Die in den Jahren 1952/53 nach Plänen von Rudolf Fiedler und Karl W. Schmidt errichtete Wohnhausanlage der Gemeinde Wien, 19., Grinzinger Allee 54, wurde 1989 Julius Deutsch-Hof benannt.

Eine Gedenktafel in der Himmelstraße 41 in Döbling erinnert daran, dass Julius Deutsch hier seine letzten Lebensjahre verbrachte. Sein Grab befindet sich am Grinzinger Friedhof.


Werk: Sport und Politik, 1928; Der Bürgerkrieg in Österreich, 1934; Geschichte der österreichischen Arbeiterbewegung, 1947; Ein weiter Weg – Lebenserinnerungen, 1960.