Schärf, Adolf

20.4.1890, Nikolsburg/Mikulov (Mähren) – 28.2.1965, Wien

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Adolf Schärf war der Sohn eines Stockdrechslergesellen, der sich in Mähren als Glasperlenbläser durchschlug. 1899 übersiedelte die Familie nach Ottakring. Schärf finanzierte sich mit Nachhilfestunden den Besuch des Gymnasiums und anschließend auch das Jusstudium an der Universität Wien (Promotion 1914). Bereits als Schüler kam Schärf mit der Arbeiterbewegung in Kontakt, schloss sich 1907 dem Verband Jugendlicher Arbeiter an, und war ein Jahr später Mitbegründer der ersten, noch illegalen, sozialistischen Mittelschülervereinigung.

1918 wurde Schärf Sekretär von Karl Seitz, der einer der drei Präsidenten der Provisorischen Nationalversammlung und später als Präsident der ersten gewählten Nationalversammlung zugleich auch Staatsoberhaupt war. Danach wurde Schärf Sekretär des sozialdemokratischen Parlamentsklubs. 1933 entsandte ihn das Land Wien in den Bundesrat.

Schärf, der mit Karl Renner und Oskar Helmer zum "rechten Flügel" der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei gehörte, bemühte sich stets um einen Ausgleich mit den bürgerlichen Parteien, lehnte austromarxistische Positionen ab und nahm besonders gegenüber Otto Bauer eine sehr kritische Haltung ein. Er engagierte sich v.a. in der Agrarpolitik und wurde zum führenden sozialdemokratischen Publizisten und Theoretiker in Agrarfragen. Am 12. Februar 1934 wurde Adolf Schärf trotz seiner konzilianten Haltung verhaftet und drei Monate lang im Anhaltelager Wöllersdorf inhaftiert. Nach seiner Entlassung arbeitete er als Rechtsanwalt; von den Nationalsozialisten wurde er zweimal, 1938 und 1944, für kurze Zeit verhaftet.

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Im April 1945 gehörte Schärf zu jenen, die noch vor Beendigung der Schlacht um Wien ins Rathaus kamen, um die Partei wiederzubegründen. Zwei einander entfremdete Gruppen saßen sich hier gegenüber; zum einen die im illegalen Kampf gegen den Faschismus geeinten Revolutionären Sozialisten, zum anderen einige führende Funktionäre der 1934 untergegangenen Sozialdemokratie. Schärf fungierte als Vermittler zwischen beiden Lagern.

Am 14. April 1945 wurde die Sozialistische Partei Österreichs schließlich neu gegründet. Als Parteivorsitzender wurde – in Abwesenheit – Karl Seitz wiedergewählt, der nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 verhaftet und ins KZ-Ravensbrück verschleppt worden war, und dessen Schicksal zunächst ungewiss blieb. 

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Schärf wurde provisorisch mit der Leitung der Partei betraut; der Parteitag im November 1946 wählte den heimgekehrten Karl Seitz schließlich zum Ehrenvorsitzenden und Adolf Schärf zum Vorsitzenden der Partei.

Schärf übte diese Funktion bis zu seiner Wahl zum Bundespräsidenten im Jahr 1957 aus. Von April bis Dezember 1945 war er vorübergehend als Staatssekretär, dann bis 1957 als Vizekanzler und Abgeordneter zum Nationalrat tätig.

Am 5. Mai 1957 wurde Schärf mit 51% der Stimmen zum Bundespräsidenten gewählt und am 28. April 1963 mit 55,4% in seinem Amt bestätigt.

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Als Bundespräsident war er über die Parteigrenzen hinweg geachtet; als Verfechter der "Großen Koalition" griff er wiederholt in die Verhandlungen bei Regierungsbildungen und Koalitionskrisen ein. Mit Nachdruck warnte er mehrmals vor einer Regierungsbeteiligung der FPÖ.

Das Wohnhaus (mit Gedenktafel) Adolf Schärfs, in dem er bis zu seinem Tod – auch als Bundespräsident – lebte, befindet sich in der Skodagasse 1 im 8. Bezirk. Ein von Alfred Hrdlicka 1985 geschaffenes Denkmal für Adolf Schärf wurde im Rathauspark (Universitätsseite) aufgestellt. Die in den Jahren 1980 bis 1985 nach Plänen von Karl Mang errichtete Wohnhausanlage der Gemeinde Wien mit 334 Wohnungen, 16., Baumeistergasse 1 / Roterdstraße 12-14, wurde Dr. Adolf-Schärf-Hof benannt. 1984 wurde hier auch ein Gedenkstein enthüllt.

Nach dem früheren Bundespräsidenten sind außerdem der Dr.-Adolf-Schärf-Platz (1983) in der Donaustadt und die Adolf Schärf-Studentenheime mit insgesamt 1.737 Heimplätzen in Wien benannt, die vom Adolf-Schärf-Kuratorium, einer der SPÖ nahestehenden und 1960 gegründeten Studentenhilfsorganisation, gemeinsam mit der WIHAST verwaltet werden. Der Bau von Studentenheimen schien eine passende Ehrung für den früheren Bundespräsidenten zu sein, da Schärf maßgeblichen Anteil an der Gründung und an der Wiedererrichtung der WIHAST nach dem Krieg hatte.

Das 1965 eröffnete Haus Dr. Schärf, 20., Lorenz-Müller-Gasse 1, das in den Jahren 1967 bis 1969 zusammen mit dem "Haus des Buches" errichtete "Haus Vindobona", 8., Skodagasse 20 und das "Haus Panorama", 20., Brigittenauer Lände 224, sind die bekanntesten dieser Studentenheime.

Werk: April 1945 in Wien, 1948; Österreichs Erneuerung, 1955; Erinnerungen aus meinem Leben, 1963.
Literatur: Jacques Hannak (Hrsg.), Der Teil und das Ganze. Reden und Schriften, 1965; Karl R. Stadler, Adolf Schärf, 1982; Christa Zöchling, Dr. Adolf Schärf. Ein Porträt, 1990.