Hartmann, Ludo Moritz

2.3.1865, Stuttgart (Baden-Württemberg) – 14.11.1924, Wien

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Ludwig (Ludo) Moritz Hartmann war der Sohn des Dichters Moritz Hartmann, der sich im Herbst 1848 an der Wiener Revolution beteiligt hatte, nach deren Niederlage jedoch fliehen musste und 1868 nach Wien zurückkehrte. Ludwig Moritz Hartmann besuchte das Wasagymnasium und begann 1883 an der Wiener Universität mit dem Studium der Geschichte, das er ab 1885 in Berlin fortsetzte.

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Nach seiner Promotion im Jahr 1887 folgte 1889 die Habilitation für alte und mittelalterliche Geschichte an der Wiener Universität, an der er jedoch erst 1919 eine Professur erhielt.

Die größten Verdienste Ludo Hartmanns liegen jedoch auf dem Gebiet der Volksbildung. Auf seine Anregung hin wurden 1890 erstmals Vortragsreihen zu populären "Unterrichtscursen" zusammengefasst; 1895 war Hartmann maßgeblich an der Gründung der "Volkstümlichen Universitätsvorträge" beteiligt.

Durch seinen enormen persönlichen Einsatz konnte der Wiener Volksbildungsverein bald den Bau eines eigenen Hauses in Angriff nehmen.

Im Frauenbildungsverein Athenäum, einer Frauenakademie, die von der Vereinigung der Wiener Hochschuldozenten im Jahr 1900 zur Abhaltung wissenschaftlicher Lehrkurse für Frauen und Mädchen ins Leben gerufen wurde, war Hartmann stellvertretender Obmann.

Ludo Hartmanns eigentliches volksbildnerisches Tätigkeitsgebiet war das Volksheim Ottakring – heute die Volkshochschule Ottakring –, dessen Gründung im Jahre 1901 auf seine und Emil Reichs Initiative hin erfolgte. Im selben Jahr trat Hartmann der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei bei.

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1905 erhielt das Volksheim die erste Abend-Volkshochschule Europas. In den zwanziger Jahren erreichte die wissenschaftliche Bildungsarbeit mit und für Laien einen international vielbeachteten Höhepunkt.

In puncto Ausstattung stand diese erste "richtige" Volkshochschule den Universitäten kaum nach: Es gab eine eigene Bibliothek, ein chemisches und ein physikalisches Laboratorium, und sogar eines für Experimentalpsychologie.

Volksheim! Die Gasse, in der dieser Name prangt, ist heilig geworden und das Mekka einer neuen Religion, schrieb der leidenschaftliche Volkshochschulbesucher und Arbeiterdichter Alfons Petzold über die Ottakringer Institution, in der Ludo Hartmann bis zu seinem Tod die Funktion eines stellvertretenden Obmanns bekleidete.

Von 1918 bis 1920 war Ludo Hartmann überdies der erste Gesandte der jungen Republik in Berlin und nahm an den Verfassungsverhandlungen in Weimar teil, wo am 11. August 1919 die neue deutsche Reichsverfassung beschlossen wurde. Auf seinen Vorschlag hin wurde die schwarz-rot-goldene Fahne in die Verfassung aufgenommen.

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Von 1919 bis 1920 war Hartmann Abgeordneter zur Konstituierenden Nationalversammlung, danach bis zu seinem Tod Vertreter Wiens im Bundesrat.

Nach Ludo Hartmann wurde 1925 der Ludo-Hartmann-Platz im 16. Bezirk benannt, wo sich auch die Volkshochschule Ottakring befindet. Das Jugendstilgebäude war in den Jahren 1904/05 nach Plänen von Franz Ritter von Neumann errichtet und als "Volksheim Ottakring" eröffnet worden.

1974 erfolgte die Schenkung an die Stadt Wien und die Generalsanierung des Gebäudes.

Im Vestibül erinnert eine Gedenktafel mit Porträtrelief an Ludo Moritz Hartmann, den Begründer der Erwachsenenbildung in Wien.

Die in den Jahren 1924/25 nach Plänen von Cesar Poppovits errichtete Wohnhausanlage, 8., Albertgasse 13-17, wurde nach dem Bildungspolitiker Ludo-Hartmann-Hof benannt.

Alle zwei Jahre vergibt der Verband Österreichischer Volkshochschulen den Ludo-Hartmann-Preis in der Höhe von 2.000 bzw. 1.000 Euro für herausragende Arbeiten im Interesse der österreichischen Volksbildung. Die Preisträger werden von einer unabhängigen Jury bestimmt.

Werk (Auswahl): Untersuchungen zur Geschichte der byzantinischen Verwaltung in Italien, 1889; Über historische Entwicklung, 1905; Theodor Mommsen, eine biographische Skizze, 1908; Das Volkshochschulwesen, 1910; Preussisch-österreichische Verhandlungen über den Crossener Zoll und über einen General-Commerz-Tractat zur Zeit Karls VI., 1915; 100 Jahre italienischer Geschichte 1815–1915, 1916; Christentum und Sozialismus, 1916; Über den Beruf unserer Zeit – optimistische Betrachtungen, 1917; Kurzgefasste Geschichte Italiens – von Romulus bis Viktor Emmanuel, 1924.
Literatur: Günter Fellner, Ludo Moritz Hartmann und die österreichische Geschichtswissenschaft, 1985; Wilhelm Filla, Aufklärer und Organisator. Der Wissenschaftler, Volksbildner und Politiker Ludo Moritz Hartmann, 1992; Volker Herholt, Ludo Moritz Hartmann, Alte Geschichte zwischen Darwin, Marx und Mommsen, 1999.