Krematorium

11., Simmeringer Hauptstraße 337

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Der Urnenhain des Wiener Zentralfriedhofes befindet sich im Park des Neugebäudes, eines von Kaiser Maximilian II. (1564–1576) errichteten und von dessen Nachfolger Rudolf II. mit zahlreichen allegorischen Figuren ausgestatteten Lustschlosses. Seit dem Jahr 1607 befand sich hier die königliche Menagerie, mit Gehegen für zahme und wilde Tiere und einem Fasangarten. Nach der Eröffnung des Schlosses Schönbrunn schaffte man die Tiere dorthin und das Neugebäude wurde dem langsamen Verfall preisgegeben. Von 1775 an diente es als Pulvermagazin, die Säulengalerie wurde abgetragen und schmückt jetzt die Schönbrunner Gloriette.

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Im Jahr 1921 kam der Wiener Gemeinderat einer jahrzehntelangen Forderung des Vereins "Die Flamme" nach und bewilligte die Errichtung eines Krematoriums auf dem Gelände des Neugebäudes.

Aus den 70 zum Gestaltungswettbewerb eingereichten Arbeiten wurde der Entwurf Josef Hoffmanns mit dem ersten Preis prämiert, vergeben wurde der Auftrag jedoch an den Träger des dritten Preises, Clemens Holzmeister, dessen Konzept sich in die bestehende Schlossanlage besser einfügen ließ, weil es auch die noch bestehenden Türme mit einbezog.

Politisch war das Projekt jedoch heftig umstritten. Die katholische Kirche des Landes und die Christlichsoziale Partei versuchten den Bau mit allen Mitteln – bis hin zur Verfassungsklage gegen Bürgermeister Reumann – zu verhindern.

Sie beriefen sich dabei auf die inzwischen von der Kirche überwundene Auffassung, dass die Feuerbestattung antichristlich sei, weil sie die "Auferstehung" verhindere.

Das in eigenwilligem Stil errichtete und 1922 eröffnete Krematorium gilt als eines der wichtigsten Werke Holzmeisters, der im übrigen einige repräsentative Staatsbauten in der türkischen Hauptstadt Ankara schuf und für den Umbau des Salzburger Festspielhauses verantwortlich zeichnete. Die theatralische Inszenierung des Gebäudes nimmt auch expressionistische Entwicklungen im Wiener Gemeindebau vorweg. Das Krematorium wurde in den Jahren 1967 bis 1969 erweitert und in den 1980er Jahren modernisiert.

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Im Krematorium wurden zahlreiche Persönlichkeiten der Arbeiterbewegung beigesetzt, darunter der Staatssekretär für Soziales Ferdinand Hanusch (1923), der Chefredakteur der Arbeiter-Zeitung, Friedrich Austerlitz (1931), der erste sozialdemokratische Bürgermeister Wiens Jakob Reumann (1925), der engagierte Arzt und Sozialreformer Julius Tandler (1936), oder der sozialdemokratische Finanzstadtrat Hugo Breitner (1946 im Exil), der durch seine "Wohnbausteuer" die materielle Grundlage für den sozialen Wohnbau in Wien schuf.

1950 beschloss der Wiener Stadtsenat Julius Tandler, dem im Exil verstorbenen Hugo Breitner und dem in Auschwitz ermordeten Robert Danneberg, dessen Asche nicht erhalten geblieben ist, eine gemeinsame Bestattungsstelle im Wiener Krematorium zu widmen.
 

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Eine Gedenkstätte (Abt. 2, Ring 1, Gruppe 1, Nr. 27) erinnert an sechs Eisenbahner, die wegen ihrer antifaschistischen Gesinnung von den Nationalsozialisten ermordet wurden: Fritz Zwickl (1906), Franz Reinelt (1900), Mathias Nagel (1899), Anton Vogelsang (1898), Josef Brenner (1898) und Otto Wehofschitz (1912) wurden mit 61 weiteren Eisenbahnern am 14. Juli 1942 ins KZ-Mauthausen gebracht und dort als "bolschewistische Rädelsführer" schwer misshandelt. Einer der Männer starb an den Folgen dieser Folterungen, die fünf übrigen wurden am 16. Juli 1942 erschossen.

Weitere EhrengräberRoman Felleis (Abt. 2, Ring 3, Gr. 1); Josef Gerl (Abt. 8, Ring 2, Gr. 2); Otto Felix Kanitz (Abt. 7, Ring 1, Gr. 2); Benedikt Kautsky (Abt. 1, Ring 3, Gruppe 2, Nr. 74); ( Karl Münichreiter (Abt. 3, Ring 3, Gr. 3); Karl Pick (Mauerbogen links); Edwin Schuster (Abt. 1, Ring 2, Gr. 6); Emil Swoboda (Gr. E4); Franz Szidzina (Gr. E11). 

Literatur: Werner T. Bauer, Wiener Friedhofsführer. Genaue Beschreibung sämtlicher Begräbnisstätten nebst einer Geschichte des Wiener Bestattungswesens, 2004.