Stadler, Karl R.

8.10.1913, Wien – 7.7.1987, Linz

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Ab 1923 schlug Karl Stadler jenen Bildungsweg ein, der im "Roten Wien" für die begabten Kinder aus wenig begüterten Familien geschaffen worden war: die Bundeserziehungsanstalt. 1931, nach der Matura, begann Stadler an der Universität Wien zunächst Jus, dann Sprachen zu studieren. Gemeinsam mit Christian Broda war er in den sozialistischen Jugendorganisationen und ab 1934 bei den Revolutionären Sozialisten tätig.

Stadler, der im März 1938 noch massiv Stimmung für Schuschniggs Volksabstimmung gemacht hatte, emigrierte nach dem "Anschluss" nach England, wo er nach Kriegsbeginn mehrere Monate lang interniert wurde. Schließlich begann er vor Angehörigen der britischen Armee Vorträge zur Geschichte und politischen Entwicklung zu halten und erhielt in Derby eine Lecturer-Stelle im Rahmen der Erwachsenenbildung, von der er später an die Universität von Nottingham wechselte. Hier erfolgte auch sein Berufswechsel zur Zunft der Zeithistoriker. Nach Kriegsende wurde Stadler in der "Re-education" des britischen Informationsministeriums eingesetzt; es waren v.a. Kriegsgefangene aus Österreich, die von Stadler zur Demokratie "erzogen" wurden.

Die österreichischen Volkshochschulen banden Karl R. Stadler bald in führende Positionen ein, und auch die persönlichen Kontakte blieben bestehen. Zahlreiche Gäste aus Österreich, darunter auch der junge Student Heinz Fischer, wurden im Haus der Familie Stadler in Nottingham aufgenommen. Stadler, der 1962 zum "Senior Lecturer" für Neuere Geschichte und Internationale Beziehungen avanciert war, wurde 1964 von seiner englischen Universität beurlaubt, um in Wien das von Bruno Kreisky initiierte "Wiener Institut für Entwicklungsfragen" aufzubauen und am Institut für Höhere Studien und an der Diplomatischen Akademie als Gastprofessor zu wirken. 1968 folgte Stadler einem Ruf an die neu gegründete Universität Linz, wo er bis 1983 als Professor für Zeitgeschichte wirkte; aus seinem Institut gingen namhafte Historiker wie Gerhard Botz, Helmut Konrad, Hans Hautmann, Josef Weidenholzer, Reinhard Kannonier, Brigitte Kepplinger-Perfahl und andere hervor.

Stadler, der dem Verband österreichischer Volkshochschulen weiter als Präsident vorstand, leitete auch das Ludwig-Boltzmann-Institut für die Geschichte der Arbeiterbewegung und stand dem Dr. Karl Renner-lnstitut in den Anfangsjahren als erster Rektor zur Verfügung.

Werk: The birth of the Austrian Republic, 1966; Hypothek auf die Zukunft, 1968; Austria, 1971; Opfer verlorener Zeiten. Geschichte der Schutzbund-Emigration 1934, 1974; Dr. Karl Renner, 1978; Adolf Schärf, 1982; Sozialistenprozesse. Politische Justiz in Österreich 1870–1936, 1986.
Literatur: Rudolf G. Ardelt (Hrsg.), Arbeiterschaft und Nationalsozialismus in Österreich. In memoriam Karl R. Stadler, 1990; Gerhard Botz (Hrsg.), Geschichte und Gesellschaft, Festschrift für Karl R. Stadler zum 60. Geburtstag, 1974.