Oberwinder, Heinrich

14.3.1845, Weilburg (Hessen) – 9.5.1914, Dresden (Sachsen)

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Der Deutsche Heinrich Oberwinder war einer der Pioniere der österreichischen Arbeiterbewegung und gehörte 1867 zu den Mitbegründern des Gumpendorfer Arbeiterbildungsvereins, eines Vorläufers der Sozialdemokratischen Partei. Oberwinder, der seit 1869 auch Mitarbeiter der "Volksstimme" war, wurde 1870 im Wiener Hochverratsprozess zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt.

Die folgenden Jahre waren durch einen erbitterten Fraktionskampf innerhalb der österreichischen Arbeiterbewegung gekennzeichnet. Der Konflikt entzündete sich an der Frage, ob sich die Arbeiterbewegung zu einer eigenständigen politischen Kraft organisieren oder ob sie sich als Teil der liberalen Bewegung sehen sollte. In den Industriezentren der Provinz, wo die Arbeiter bereits in größeren Fabriken konzentriert waren und wo die Klassengegensätze viel offener zu Tage traten, dominierten die "Radikalen", die auf eine revolutionäre Veränderung der Gesellschaft setzten. In Wien kamen viele Funktionäre aus dem Kleingewerbe, aber auch aus dem liberalen Bürgertum, so dass hier der Einfluss großdeutscher Intellektueller, zu denen auch Heinrich Oberwinder gehörte, vorherrschend war.

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Diese Spaltung wurde von den Behörden natürlich als positiv gesehen und nach Kräften gefördert. Heinrich Oberwinder, dem nachgesagt wurde, dass er nicht nur zu namhaften Bürgerlichen, sondern auch zur Polizei gute Kontakte pflegte, veranlasste zunächst den Ausschluss der linken Opposition um Andreas Scheu, der mit 300 Aktivisten den Verein "Brüderlichkeit" gründete.

Als 1878 in Deutschland unter Bismarck das "Sozialistengesetz" erlassen wurde und auch die Behörden in der Habsburgermonarchie mit immer größerer Härte gegen die Arbeiterbewegung vorgingen, verließ Heinrich Oberwinder, der als Regierungsagent verdächtigt wurde, das Land und war danach als Journalist in Deutschland tätig.

Werk: Die Arbeiterbewegung in Österreich, 1875; Sozialismus und Sozialpolitik, 1887.
Literatur: Ludwig Brügel, Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie, 5 Bände, 1922-1925; Heinrich Scheu (Hrsg.), Der Hochverraths-Proceß gegen Oberwinder, Andr. Scheu, Most, Papst, Hecker, Perrin, Schönfelder, Berka, Schäftner, Pfeiffer, Dorsch, Eichinger, Gehrke und Baudisch, 1870; Der Wiener Hochverratsprozeß, 1911.