Austrofaschismus

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"Austrofaschismus" ist die Bezeichnung für das 1933/34 in Österreich etablierte Herrschaftssystem, das von Kreisen der Heimwehr und jüngeren christlichsozialen Politikern maßgeblich entwickelt und getragen wurde. Beeinflusst vom italienischen Faschismus Mussolinis, untermauert vom politischen Katholizismus und den Theorien Othmar Spanns, ersetzte der Austrofaschismus die demokratische Verfassung und den Parlamentarismus durch ein autoritäres, ständestaatliches System.

Erstmals wurde die Ideologie des Austrofaschismus im sogenannten "Korneuburger Programm" vom 18. Mai 1930 ausformuliert. Von März 1933, der Ausschaltung des Parlaments, bis Februar 1934, der gewaltsamen Niederschlagung der Sozialdemokratie, setzte Bundeskanzler Engelbert Dollfuß den autoritären Kurs gegen die Opposition durch und vollendete ihn mit der neuen Verfassung vom 1. Mai 1934.

Der Begriff "Austrofaschismus" ist allerdings nicht unumstritten, da der autoritären Diktatur österreichischer Prägung wesentliche Merkmale eines faschistischen Regimes fehlten: so gab es wohl eine Massenpartei, die "Vaterländische Front", doch fehlte ihr die Massenbasis. Der extreme Nationalismus, der sowohl in Italien als auch in Deutschland kennzeichnend für den Faschismus war, konnte durch die künstliche Förderung eines Österreich-Patriotismus kaum ersetzt werden. Und der sozialrevolutionäre Anstrich, den sowohl Hitler als auch Mussolini ihren Bewegungen anfangs gaben, hatte in der rückwärts gewandten christlichsozialen Ideologie mit ihrer geistigen Bevormundung durch den Klerikalismus – Dollfuß war mehr an einer katholischen Renaissance als an einem modernen, totalitären Massenstaat interessiert – überhaupt keinen Platz.

Einigen Historikern zufolge sei der Austrofaschismus eher ein verzweifelter Versuch gewesen, die Nationalsozialisten zu "überhitlern" (wie Dollfuß es selbst nannte). Sie sprechen deshalb im Zusammenhang mit dem Ständestaat von "Semifaschismus", was allerdings wiederum von den Opfern des Austrofaschismus als unzulässige Verharmlosung empfunden wird.

Literatur: Francis L. Carsten, Faschismus in Österreich. Von Schönerer zu Hitler, 1978; Ernst Hanisch, Die Ideologie des politischen Katholizismus in Österreich: 1918–1938, 1977; Josef Hindels, 1938: Aus der Vergangenheit lernen, 1988; Wolfgang Maderthaner (Hrsg.), "Der Führer bin ich selbst". Engelbert Dollfuß – Benito Mussolini Briefwechsel, 2004; Lucian O. Meysels, Der Austrofaschismus, 1992; Emmerich Tálos und Wolfgang Neugebauer (Hrsg.), "Austrofaschismus". Beiträge über Politik, Ökonomie und Kultur 1934, 1985.