Achtstundentag

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Im 19. Jahrhundert war die tägliche Arbeitszeit in den Fabriken auf 12, 14 oder sogar 16 Stunden angestiegen. Zur Produktivitätssteigerung wurden auch die Sonntags- sowie die Nachtarbeit eingeführt, und das nicht nur für Männer – auch Frauen und Kinder waren von dieser menschenfeindlichen Praxis betroffen.

Gesetzliche Regelungen zur Beschränkung dieser überlangen Arbeitszeiten waren zwar schon früh erlassen worden – so etwa wurde 1846 in einem provisorischen Fabriksgesetz in Oberösterreich ein Arbeitsverbot für Kinder unter 12 Jahren, eine maximal zehnstündige Arbeitszeit für 12- bis 15-jährige sowie die Sonn- und Feiertagsruhe beschlossen–, allzu oft wurden solche Bestimmungen allerdings umgangen und in wirtschaftlichen Krisenzeiten manchmal sogar noch verschärft. Rosa Jochmann etwa berichtete, dass sie im Jahr 1915 als fünfzehnjähriges Mädchen in einer Kabelfabrik von sieben Uhr abends bis sechs Uhr früh durcharbeiten musste. Die Einführung gesetzlich geregelter Arbeitszeiten und die Verkürzung der täglichen Arbeitszeit auf ein erträgliches Maß gehörten deshalb zu den wichtigsten Zielen der jungen Sozialdemokratie.

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Der utopisch anmutende "Achtstundentag" wurde erstmals in der Geschichte der Industriearbeit den Steinmetzen im australischen Victoria 1856 zugestanden. 1868 erfolgte eine erste gesetzliche Regelung zur Begrenzung der täglichen Arbeitszeit auf acht Stunden in den USA; sie betraf Arbeiter auf der Marinewerft von Charleston, Texas. Im Mai 1886 wurde ein Generalstreik amerikanischer Arbeiter in Chicago, die ebenfalls für den Achtstundentag eingetreten waren, jedoch brutal niedergeschlagen.

In Erinnerung an diesen Ereignis, das als "Haymarket Riot" in die Geschichte einging, legte die Zweite Internationale der sozialistischen Arbeiterbewegung auf ihrem Gründungskongress in Paris 1889 den "Kampftag der Arbeit" für den 1. Mai fest. Im Jahr darauf machten Arbeiter zum ersten Mal mit weltweiten Massendemonstrationen unter dem Motto "Heraus zum 1. Mai" auf ihre Forderungen aufmerksam. Die Forderung nach einem Achtstundentag war also von Anfang an eng mit der Geschichte des 1. Mai verbunden. Am 1. Mai 1890 wurde der neue Kampftag auch von den Wiener Sozialdemokraten festlich begangen. Die Parole lautete "8-8-8" (Acht Stunden Arbeit, acht Stunden Schlaf, acht Stunden Erholung).

Nach einer Novellierung der Gewerbeordnung im Jahr 1885 galt in Österreich für den Fabriksbereich der 11-Stunden-Tag, ein Arbeitsverbot für Jugendliche unter 14 Jahren und ein Verbot der Nachtarbeit für Frauen und Jugendliche. Im Kleingewerbe, wo auch die Arbeitsbedingungen wesentlich schlechter waren, gab es allerdings keine gesetzlichen Regelungen.

Nachdem noch 1906 90 Prozent aller österreichischen FabriksarbeiterInnen neun bis elf Stunden täglich arbeiten mussten, konnte der Achtstundentag – neben weiteren sozialen Verbesserungen – 1918 unter der Ägide des Gewerkschafters und neuen Staatssekretärs für soziale Fürsorge Ferdinand Hanusch endlich gesetzlich verankert werden.

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Seit Einführung des Achtstundentages und der 48-Stunden-Woche wurde die Arbeitszeit in mehreren Etappen weiter verringert: Die Verkürzung von 48 auf 45 Stunden erfolgte per 1. Februar 1959. Zehn Jahre später einigte man sich über eine schrittweise Absenkung der Arbeitszeit auf 40 Stunden. Wirklichkeit wurde die 40 Stunden-Woche allerdings erst im Jahr 1975. Ab 1985 wurden in einzelnen Branchen auch kürzere Arbeitzeiten (wie die 38-Stunden-Woche) vereinbart.

Der 5. Juli 2018 war ein schwarzer Tag für Österreichs ArbeitnehmerInnen: Unter Bundeskanzler Sebstian Kurz beschloss die ÖVP-FPÖ-Bundesregierung ein "Paket zur Arbeitszeitflexibilisierung", das wieder einen Zwölfstundentag beziehungsweise die 60-Stunden-Woche gesetzlich verankert.

Literatur: o.A., Der Kampf um den Achtstundentag. Festschrift zum 1. Mai 1890; Michaela Gindl, Der Kampf um den Achtstundentag in Österreich, 1977; Karl Kautsky, Der Arbeiterschutz, besonders die internationale Arbeiterschutzgesetzgebung und der Achtstundentag, 1890; Gösta Langenfelt, The historic origin of the eight hours day: studies in English traditionalism, 1954; Franz Schuhmeier, Acht oder neun Stunden: Der sozialdemokratische Minoritätsbericht über die Regierungsvorlage, 1901; Harald Troch, Rebellensonntag, 1991.