Quer durch Penzing

  • 01_am_spiegelgrund

    Wir beginnen unsere Tour durch den 14. Bezirk an dessen Grenze zum 16., in der Siedlung Am Spiegelgrund (16., Spiegelgrundstraße 1-61), die in den Jahren 1931/32 nach Plänen von Franz Kaym und Alfons Hetmanek im Anschluss an die älteren Siedlungen am Flötzer- steig errichtet wurde. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist diese aus Reihenhäusern und niedrigen Wohnblocks bestehende Siedlungs- anlage am besten mit der Autobuslinie 48A (ab Dr. Karl-Renner-Ring) zu erreichen. Bei der Station Reichmanngasse steigen wir aus, gehen die rechts abzweigende Reichmanngasse hinauf und gelangen gleich wieder rechts über den Dustmannweg in die relativ gut erhaltene Siedlung.

  • 01a_antheus

    Nach einer kleinen Runde überqueren wir die Spiegelgrundstraße und gelangen durch die Antaeusgasse in die Siedlung Antaeus, die in den Jahren 1923/24 nach Plänen von Heinrich Schlöss errichtet und nach dem mythologischen Riesen Antaeus benannt wurde, der durch die Berührung mit seiner Mutter, der Erde, immer wieder neue Kraft gewann. Die kleine Reihenhaussiedlung war ursprünglich nur für städtische Bedienstete gedacht; sie ist wesentlich einheitlicher, aber auch schlichter als die gegenüberliegende Flötzersteig-Siedlung von Kaym und Hetmanek.

  • 02_am_floetzersteig

    Um zu dieser zu gelangen, gehen wir den Flötzersteig etwa 200 Meter stadteinwärts (links) und überqueren beim Gemeindezentrum die vielbefahrene Straße. Die Siedlung Am Flötzersteig wurde in den Jahren 1922 bis 1925 sowie 1926 bis 1929 nach Plänen von Franz Kaym und Alfons Hetmanek errichtet und zählt mit über 500 Wohnungen zu den größten Siedlungsanlagen des "Roten Wien". Durch das abschüssige Gelände entstanden zahlreiche "inselartige" Einheiten, die zusammen ein kleinstädtisches Ortsbild ergeben; die einzelnen Bauten zeichnen sich durch ihren großen Variantenreichtum aus und sind durchwegs mit Gärten – ursprünglich zur Selbstversor- gung in Notzeiten gedacht – ausgestattet. Gemeinsam mit den beiden anderen Siedlungen bildet diese Anlage eine Kleinstadt von über 400 Häusern mit beinahe 1.000 Wohnungen.

  • 02a_am_floetzersteig2

    Beim repräsentativen Gemeindezentrum, das einen Theater- und Kinosaal, eine Bibliothek, ein Parteilokal, sowie ein Gasthaus und Geschäftslokale enthielt, nehmen wir die abwärts führenden Stufen, gehen die Schinaweisgasse rechts und bei der Gusterergasse links. Viele der kleinen Gassen hier sind nach Opfern der Märzunruhen des Jahres 1848 benannt, an die auch der nahe, 1929 angelegte Acht- undvierzigerplatz erinnert. Am Ende der Gusterergasse gehen wir rechts die Ameisbachzeile hinab und nehmen kurz nach der Einmün- dung der Lebingergasse einen kleinen, nicht benannten Weg, der links durch die Kleingartensiedlung bergauf führt.

  • 03_breitenseeerstrasse1

    Bei der Breitenseer Straße befindet sich links der 1917 von Robert Oerley, dem späteren Erbauer des Hanusch-Hofs und des George-Washington-Hofs, für die Firma Carl Zeiss errichtete Industriebau mit seiner weithin sichtbaren Kuppel. Wir gehen rechts, durch die Breitenseer Straße, wo sich auf Nummer 108-112 ein mächtiger, klosterhofartiger Wohnblock mit parkähnlichem, mehrfach unter- teiltem Innenhof befindet, der leider unbenannt geblieben ist.

  • 04_breienseeerstrasse2

    Die Fassadengestaltung der in den Jahren 1930/31 nach Plänen von Hugo Mayer und Hugo Gorge errichteten Wohnhausanlage mit 630 Wohnungen ist schlicht, im Hof erinnern die Arkadengänge mit Rund- bögen und der durchgängige Gebrauch von Klinker- und Putzverzie- rungen jedoch noch stark an den expressiven Stil früherer Gemeinde- bauten. Vorbei an der Vega-Payer-Weyprecht-Kaserne (rechts, benannt nach Oberstleutnant Georg Freiherr von Vega und den österreichischen Nordpolexpeditionsleitern Julius von Payer und Karl Weyprecht) und der Biedermann-Huth-Raschke-Kaserne (links, benannt nach drei Offizieren der Deutschen Wehrmacht, die in den letzten Kriegstagen als Widerstandskämpfer hingerichtet wurden), gelangen wir nun zur Leyserstraße (rechts), von der nach wenigen Metern die Spallart- gasse links abzweigt.

  • 05_franz_kurz_hof

    Auf Nummer 26-28 befindet sich einer der kuriosesten Gemeinde- bauten, der in den Jahren 1923/24 nach Plänen von Erich Leischner errichtete und nach dem Wiener Gemeinderat Franz Kurz (1873–1945) benannte Franz-Kurz-Hof. Dieser ungewöhnliche und imposan- te Bau zählt zu den ersten Volkswohnhäusern, die die Gemeinde Wien im ersten Jahr ihres Wohnbauprogramms errichtete. Besonders auffällig sind das gerippte Sockelgeschoss und der expressive dreiteilige Eingangsbereich, über dem sich Loggiengruppen und ein überdimenionaler Giebel erheben.

  • 21_maiselstrasse73_2jpg

    Von der Spallartgasse biegen wir rechts in die Kendlerstraße, über- queren die Hütteldorfer Straße, gehen einige Schritte stadteinwärts (links) und rechts in die Gründorfgasse. Zwischen der Hütteldorfer Straße und der Märzstraße befinden sich ungewöhnlich viele kleinere Gemeindebauten aus der Ersten Republik, von denen wir uns einige näher ansehen wollen. Zwei durch die jüngst erfolgte Renovierung erst wieder kenntlich gewordene Bauten finden sich gleich linker Hand, in der Meiselstraße. Meiselstraße 73 wurde 1928 nach Plänen von Theodor Schöll errichtet. Der Mittelteil dieser kleinen Baulückenverbauung mit 14 Wohnungen ist kastenartig hervorgehoben, die Fenster und das Sockelgeschoss werden durch Gesims- und Sohlbänke bzw. Nuten bandartig verbunden.

  • 20_maiselstrasse76

    Der gegenüberliegende Bau, Meiselstraße 76, wurde im selben Jahr nach Plänen von Josef Beer errichtet und besitzt massive, polygonale Balkone und einen geometrischen Putzdekor. Zurück in der Gründorfgasse findet sich auf Nummer 4 eine weitere, kleine Wohnhausanlage der Gemeinde Wien. Der als Exzentriker bekannte Architekt Heinrich Ried (1881-1957) schuf hier 1928/29 einen ungewöhnlichen und experimentell anmutenden Bau mit rhythmisch wechselnden Loggien und Erkern.

  • 07_sebastian_kelch_gasse4

    Wir biegen nun links in die Cervantesgasse ein, die nach wenigen Metern von der Sebastian-Kelch-Gasse gequert wird. Rechts, Sebas- tian-Kelch-Gasse 4-6, sehen wir eine ungewöhnlich expressionisti- sche Anlage mit Erkergruppen, Spitzgiebeln und einem neugotischen Spitzbogentor, über dem sich drei vasenförmige flache Erker befin- den. Der 1928/29 nach Plänen von Heinrich Vana errichtete sehens- werte Bau ist dreifarbig verputzt und auch hofseitig interessant gestaltet.

  • 08_sebastian_kelch_gasse5

    Die kleine Eckverbauung linker Hand, Ecke Cervantesgasse / Sebastian-Kelch-Gasse 5-7, wurde 1928 nach Plänen von Karl Holey (1879-1955) errichtet und weist eine interessante Kombination von massiven, klinkerverkleideten Balkonen und Erkern auf. Das Haupt- gesims ist mit eigentümlich verzierten Ziegeln dekoriert.

  • 09_hickelgasse15

    Wir gehen weiter durch die Cervantesgasse bis zur Hickelgasse, wo sich links der Eingang zur einzigen größeren Wohnhausanlage des Viertels befindet (Hickelgasse 15-17 / Cervantesgasse). Der in den Jahren 1925/26 nach Plänen von Anton Drexler und Rudolf Sowa (1878-1952) errichtete Komplex ist ein typischer Gemeindebau aus der frühen Phase mit hohen Spitzerkern und schweren Gesimsen. Auffallend sind die kleinen, verwinkelten Innenhöfe und der unge- wöhnlich hohe Verbauungsgrad dieser großen Anlage, die auch zwei Geschäfte und einen Kindergarten enthält.

  • Cervantesgasse31

    Für Unermüdliche seien noch die beiden kleineren Gemeindebauten Cervantesgasse 3 und 9 erwähnt. Der erste Bau wurde 1928/29 nach Plänen von Clemens Kattner errichtet und ist mit seiner alt- modisch "repräsentativen" Fassade mit schwerem Putzdekor und hohem, abgestuftem Ziergiebel eher dem bürgerlichen Wohnbau als der Gemeindebauarchitektur des "Roten Wien" verbunden.

  • Cervantesgasse9

    Cervantesgasse 9 hingegen, im selben Zeitraum von Rolf Eugen Heger errichtet, weist eine interessante, expressive Fassade mit Spitzgiebel und zentralen, durchlaufenden Stiegenhausfenstern auf.

  • 10_somogyhof1

    Zurück auf der Hütteldorfer Straße gehen wir nun stadtauswärts (links), vorbei am Kommandogebäude Theodor Körner, der ehemals größten Kadettenschule der Monarchie, bis zur Hütteldorfer Straße 150-158. Alternativ bietet sich die Fahrt mit der Straßenbahn 49 (3 Stationen, bis Lützowgasse) an. Der Somogyihof, 1927 bis 1929 nach Plänen von Heinrich Schmid und Hermann Aichinger erbaut, stellt im Oeuvre des vielbeschäftigten Architektenteams zweifellos einen Höhepunkt dar. Der große, unregelmäßige Gartenhof mit z.T. geschwungenen Fassaden wird zur Hütteldorfer Straße von einem monumentalen Wohnturm mit Lauben und einem niedrigen Baukörper abgetrennt, hinter dessen kunstvoll klinkerverkleideter Fassade sich die Waschküchen befinden.

  • 11_somogyhof4

    Der geländebedingt stark ansteigende Hof wird zur Heinrich-Collin-Straße hin durch einen mächtigen Riegel abgeschlossen, in dessen Zentrum der Kindergarten untergebracht wurde. Benannt wurde die Wohnhausanlage nach dem ungarischen Schrift- steller Béla Somogyi (1868–1920). Somogyi war für verschiedene sozialdemokratische Zeitungen in Ungarn tätig. Als nach der Nieder- werfung der ungarischen Räterepublik der faschistische "weiße Terror" gegen alle Linken einsetzte, wurde Béla Somogyi von Ange- hörigen der Leibgarde des ungarischen Diktators Nikolaus Horthy in Budapest ermordet.

  • 11_somogyhof2

    Der Somogyihof enthält neben den bereits erwähnten Gemein- schaftseinrichtungen auch einen großen Jugendhort in der Moß- bachergasse und zahlreiche Geschäftslokale. Wie bei allen Bauten von Schmid und Aichinger sind auch hier die liebevoll ausgearbeiteten Details (Gitter, Beleuchtungskörper, Stiegenhausnummern) und die üppige Verwendung von Klinkerdekor an Fenstern und Eingängen zu beachten.

  • 11_somogyhof3

    Die Gestaltung des topographisch und durch bestehende Nachbar- bauten überaus schwierig zu erschließenden Grundstücks ist meisterhaft, was sich besonders an der langen, geschwungenen Fassade in der Moßbachergasse zeigt.

  • 24_hanusch_krankenhaus2_wgkk

    Ebenfalls von Schmid – Aichinger stammt der Entwurf zum nahe- gelegenen Hanusch-Krankenhaus, das in den Kriegsjahren 1914/15 als Landwehrtruppenspital errichtet wurde; nach dem Ersten Welt- krieg diente es als Zivilspital, im Zweiten Weltkrieg wieder als Militärlazarett. Stilistisch ist der Spitalsbau der Wiener Moderne an ihrem Übergang vom Historismus zum Jugendstil zuzuordnen. Als die Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte das Spital 1945 übernahm, benannte sie es nach dem Sozialpolitiker Ferdinand Hanusch.

  • 13_blathof1

    Wir überqueren die Hütteldorfer Straße, gehen die Moßbachergasse hinunter zur Linzer Straße und diese stadteinwärts (links) bis zur Rottstraße. Der hier gelegene Blathof, Rottstraße 1 / Linzer Straße 128, wurde in den Jahren 1924/25 nach Plänen von Clemens Holz- meister errichtet und 1948 nach dem am 12. Februar 1934 getöteten Schutzbund-Mitglied Ferdinand Blat benannt. Die große, repräsentative Anlage ist Holzmeisters einziger Beitrag zum kommunalen Wohnbauprogramm des "Roten Wien" und weist eine interessante Fassadengliederung durch stark hervortretende Spitzerker auf.

  • 14_blathof2

    Im Hof dominieren hingegen die einfachen kubischen Formen. Der lange, etwas schmale Innenhof mit Grünanlage ist infolge des starken Gefälles terrassiert. Die Anlage enthielt einen Kindergarten, ein Jugendheim, eine Bibliothek und mehrere Geschäftslokale. Bemerkenswert sind die plastischen Figuren über sämtlichen Stiegenhaustüren, der durch Treppen geteilte Zierbrunnen mit maskenartigen Plastiken und die große Figur beim Stiegenaufgang zum Hort, alle vom Bildhauer Wilhelm Frass (1925).

  • 16_philipsgasse8_3

    Von der Hütteldorfer Straße gehen wir nun rechts, überqueren, der Ameisgasse folgend, die Westbahn und gelangen über die Einwang- gasse zur Penziger Straße, wo sich links, auf Nummer 35-37, Ecke Philipsgasse, eine der bemerkenswertesten Wohnhausanlagen des Bezirks befindet. Der in den Jahren 1924/25 nach Plänen von Siegfried Theiß und Hans Jaksch errichtete Gemeindebau gehört mit seinen Putzornamenten eindeutig der "romantischen" Richtung der frühen Gemeindewohn- anlagen an; in vielen Details sind jedoch auch moderne Stiltendenzen zu erkennen. Tiefe Baueinschnitte, in denen die Nebenräume und die Stiegenhäuser liegen, gliedern die lange Front in der Philipsgasse in vier Blöcke, die ihrerseits durch vier auf Konsolen ruhende weibliche Figuren von Anton Endstorfer, Theodor Oppitz und Oskar Thiede betont werden.

  • 15_philipsgasse8_1

    Diese Gliederung setzt sich an der schmäleren Front in der Penzinger Straße fort, wo der Mittelteil um ein Ateliergeschoss erhöht wurde. Über dem Hauseingang wacht die monumentale Figur "Der Schmied" von Oskar Thiede.

  • 16_philipsgasse8_2

    Außergewöhnlich sind auch der kreisförmige Putzdekor der Fassade und die drei beinahe etruskisch wirkenden Köpfe an der Ecke Philipsgasse. Im etwas schmal geratenen, aber ebenso aufwändig gestalteten Hof waren ein Kindergarten, ein Hort, mehrere Wasch- küchen und eine Badeanstalt untergebracht. Über die Hadikgasse erreichen wir in wenigen Minuten die U4-Station Hietzing.