Hilferding, Margaret(h)e (geb. Hönigsberg)

20.6.1871, Wien – September 1942, ermordet im KZ-Treblinka (Polen)

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Margarete Hönigsberg – laut Geburtsurkunde "Margarethe", sie selbst nannte sich zeitlebens jedoch nur "Margarete" oder auch "Margret" – wuchs in wohlgeordneten Verhältnissen auf. Ihr Vater war Kurarzt, ihre Mutter entstammte einer bedeutenden großbürgerlich-jüdischen Familie; beide Eltern bekannten sich allerdings zur Sozialdemokratie. Um als Frau zur Lehramtsausbildung zugelassen zu werden, musste Margarete Hönigsberg zunächst die Externistenmatura ablegen. Trotz bester Abschlussnoten erhielt sie in der Ära Lueger jedoch keine adäquate Anstellung. Sie studierte – zunächst als außerordentliche Hörerin – Medizin und erwarb 1903 als erste Studentin der Medizin an der Wiener Universität das Doktorat.

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1904 heiratete Margarete Hönigsberg den marxistischen Theoretiker und sozialdemokratischen Politiker Rudolf Hilferding, lebte mit diesem einige Jahre lang in Berlin und kehrte 1909 mit ihren beiden Söhnen nach Wien zurück. Sie praktizierte in der Folge als Frauenärztin und Geburtshelferin bei der Krankenkasse und als Schulärztin in Favoriten, galt als anerkannte (und erste weibliche) Individualpsychologin und engagierte sich besonders für Geburtenkontrolle durch Empfängnisverhütung.

In Favoriten wirkte sie bis 1934 als Bezirksrätin und Vorsitzende des Arbeiter-Abstinentenbundes. 1934 wurde sie in der Wohnung der Familie Lazarsfeld erstmals verhaftet. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten nahm sie die Gelegenheit zur Ausreise nach Frankreich nicht wahr; sie musste mehrmals den Wohnort wechseln und konnte noch eine Zeit lang im jüdischen Spital arbeiten.

Im Rothschild-Spital, wo sie zwischen Juni 1939 und September 1941 tätig war, traf sie auch auf den 34 Jahre jüngeren Viktor Frankl. Im Juni 1942 wurde Margarete Hilferding nach Theresienstadt deportiert und am 28. September in das KZ-Treblinka verlegt, wo sie kurz darauf ermordet wurde.

Leebgasse100

Im Jahr 2003 wurde im 21. Bezirk, Floridsdorf, der Hilferdingweg nach der Familie Hilferding – Margarete Hilferding, Rudolf Hilferding und ihren gemeinsamen Sohn Karl Hilferding (1905–1942), der trotz seiner Konversion zum katholischen Glauben im Lager Groß-Strelitz ermordet wurde – benannt.

Margarete Hilferdings zweiter Sohn Peter konnte mit Hilfe Karl Poppers nach Neuseeland emigrieren.

Die in den Jahren 1928/29 nach Plänen von Franz Zabza errichtete Wohnhausanlage, 10., Leebgasse 100, wurde im Frühjahr 2006 Margarethe-Hilferding-Hof benannt.

Literatur: Eveline List, Mutterliebe und Geburtenkontrolle - Zwischen Psychoanalyse und Sozialismus. Die Geschichte der Margarethe Hilferding-Hönigsberg, 2006; Sonja Stipsits, Margarete Hönigsberg. Aus dem Leben einer Pionierin; unter Einbeziehung der lebensgeschichtlichen Erinnerung ihres Sohnes Peter Milford. In: Birgit Bolognese-Leuchtenmüller (Hrsg.), Töchter des Hippokrates: 100 Jahre akademische Ärztinnen in Österreich, 2000.