Wienerberg

10. Bezirk

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Die Geschichte des Wienerbergs im Süden Wiens ist geprägt durch die lange Tradition der Ziegelwerke. Durch Ablagerungen eines Meeres aus dem Jungtertiär (vor ca. 15 Millionen Jahren) war Ton – das Rohmaterial für den gebrannten Baustein – im Wiener Becken reichlich vorhanden. Die reichen Lehmvorkommen wurden bereits in römischer Zeit zur Ziegelgewinnung genützt. Am Wienerberg befand sich seit dem späten Mittelalter auch die Hinrichtungsstätte Wiens.

Die Ziegelerzeugung war für Wien von großer Bedeutung, da natürliche Bausteine in der Umgebung der Stadt fehlten. 1775 ließ Kaiserin Maria Theresia am Wienerberg die erste staatliche Ziegelei ("Fortifikationsziegelofen") errichten.

Um 1820 erwarb Alois Miesbach, ein Unternehmer aus Mähren, neben anderen Ziegeleien auch jene am Wienerberg. Seine Ziegelfabrik wurde bald zur größten des Kontinents. 1855 besaß Miesbach neun große Ziegeleien mit 4.700 Beschäftigten und 30 Kohlenbergwerke mit über 2.300 Bergleuten.

Neben (primitiven) Wohngebäuden für die Arbeiter wurden auf dem Wienerberggelände nahe der Ziegeleien auch soziale Einrichtungen, wie ein Krankenhaus oder eine "Kinderbewahrungsanstalt" errichtet. Miesbach und sein Neffe Heinrich Drasche-Wartinberg, der die Firma weiter ausbaute, hatten durch ihre spezielle Ziegelproduktion (Dekorations- und Verkleidungsziegel) großen Einfluss auf die Wiener Architektur der Ringstraßenepoche.

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Mit dem Übergang vom paternalistischen zum industriellen Kapitalismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verschärfte sich die Ausbeutung der Ziegelarbeiter zusehens. Kinderarbeit, Krankheit und Seuchen waren die Folge.

Einer der ersten, der die heute unvorstellbaren Zustände und die soziale Not der vorwiegend tschechischen Arbeiter in den Ziegeleien am Wienerberg öffentlich machte, war Victor Adler. In der von ihm gegründeten Zeitung Gleichheit prangerte Adler 1888 die katastrophalen Lebens- und Arbeitsumstände der sogenannten "Ziegelböhm"an.

Die Ziegelwerke bestanden bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts und waren noch in der Wiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg voll im Betrieb. Erst als die Rohstoffvorkommen weitgehend erschöpft waren und der Abbau zunehmend unwirtschaftlich wurde, begann man in den 1960er Jahren, die Lehmgruben nach und nach zu schließen.

Nach dem Erwerb des Areals durch die Stadt Wien wurden die infolge des Lehmabbaues entstandenen Gruben für die Anlage von Hausmüll- und Bauschuttdeponien genutzt.

Ende der 1970er Jahre wurde ein Ideenwettbewerb für die städtebauliche Entwicklung eines Teilbereiches des Wienerberg-Geländes ausgeschrieben. Der Großteil des Areals wurde in der Folge zu einem neu gestalteten Erholungsgebiet und 1995 zum "geschützten Landschaftsteil" erklärt.

Literatur: AK-NÖ (Hrsg.), So lebten die Ziegelarbeiter vom Wienerberg, 1980; Ferdinand Hefel, 150 Jahre Wienerberger, 1969; Anton Lang, Hochgericht und Räderkreuz. Die Hinrichtungsstätten am Wienerberg, 2002; Günther Maier, Der Wienerberg. Naturräumliche Gegebenheiten und Landschaftsplanung, 1987; Agnes Streissler, Die Inzersdorfer Ziegelarbeiter. Eine sozialstatistische Fallstudie zur Industrialisierung im Raum Wien, 1991.