Theater der Courage

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Am 7. November 1931 eröffnete die Schauspielerin Stella Kadmon im Souterrain des Café Prückel in der Biberstraße die Kleinkunstbühne "Der liebe Augustin". Trotz finanzieller Anfangsschwierigkeiten konnte "Der liebe Augustin", getragen von einem engagierten und idealistischen Ensemblekollektiv, in der Wiener Theaterszene Fuß fassen. Zur künstlerischen Bereicherung trug v.a. der Zuzug von Exilanten aus Deutschland bei.

Die letzte Vorstellung des "Lieben Augustin", der die Form der politisch-literarischen Kleinkunst in Wien begründete und trotz zensurbedingter Einschränkungen durch den Ständestaat bis zuletzt entschieden gegen den Faschismus auftrat, fand am 9. März 1938 statt.

1947 kehrte Stella Kadmon aus dem Exil in Palästina nach Wien zurück; trotz vieler Schwierigkeiten konnte sie ihren "Lieben Augustin", der zwischenzeitlich von Fritz Eckhardt übernommen worden war, zu Saisonbeginn 1947/48 wieder eröffnen.

Als sich jedoch zeigte, dass das Konzept des literarischen Kabaretts nicht mehr zeitgemäß war, wagte sich Stella Kadmon im April 1948 auf Anraten eines alten Bekannten, des späteren Justizministers Christian Broda, unter dem Titel "Schaut her" an die Aufführung von Szenen aus Bert Brechts "Furcht und Elend des Dritten Reiches".

Aufgrund des durchschlagenden Erfolges entschloss sich Stella Kadmon, dieser neuen Linie treu zu bleiben und gab ihrem Theater den programmatischen Namen "Theater der Courage". Der eklatante Nachholbedarf an Gegenwartsliteratur und die Entdeckung neuer Autoren bestimmten den avantgardistischen Spielplan. Die "Courage" erlebte viele, oft risikoreiche Ur- und Erstaufführungen zeit- und gesellschaftskritischer Stücke, etwa Wolfgang Borcherts "Draußen vor der Tür", Jean Paul Sartres "Die ehrbare Dirne" oder Ferdinand Bruckners "Die Rassen" und wurde richtungweisend für eine neue Gattung von Kleinbühnen in Wien.

1960 bezog das Theater neue Räumlichkeiten am Franz-Josefs-Kai. Trotz mancher Konzessionen an den Publikumsgeschmack blieb die Prinzipalin ihren persönlichen Idealen – Antirassismus, Antifaschismus, Pazifismus und Humanismus – stets treu. Anfang der 1970er Jahre unterstellte Kadmon ihr Theater einer Kollektivführung – ein Experiment, das trotz künstlerischer Erfolge letztendlich fehlschlug. 1980/81 wandelte sie das Theater in eine Ges.m.b.H. mit der Schauspielerin Emmy Werner als Gesellschafterin um. Die letzte Vorstellung im "Theater der Courage" fand am 31. Dezember 1981 statt. Emmy Werner, die den Theaterfundus übernommen hatte, gründete 1981 das "Theater in der Drachengasse" als ein Zentrum für Frauenkultur und adaptierte 1984 einen eigenen, zweiten Raum für das "Theater der Courage".

Als Emmy Werner 1987 als Direktorin ans Wiener Volkstheater berufen wurde, übernahm ein Dreierteam die Leitung des "Theaters in der Drachengasse". Seit seiner Renovierung und technischen Adaptierung im Jahr 1993 bringt das leicht umbenannte "Theater Drachengasse" Eigenproduktionen und Gastspiele mit den Schwerpunkten zeitgenössisches Theater und Frauen.

Literatur: Henriette Mandl, Cabaret und Courage. Stella Kadmon, 1993.