Reumannhof

5., Margaretengürtel 100-110

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Die in den Jahren 1924 bis 1926 nach Plänen von Hubert Gessner errichtete Wohnhausanlage mit ursprünglich 480 Wohnungen, 11 Ateliers, 19 Geschäftslokalen, Werkstätten, einer Zentralwäscherei, einem Kindergarten, einer Milchtrinkhalle und dem hauseigenen Café Reumannhof wurde nach dem ersten sozialdemokratischen Bürgermeister der Stadt Wien Jakob Reumann (1853–1925) benannt. Die feierliche Eröffnung fand am 27. Juni 1926 statt.

Mit seiner 180 Meter langen Fassade gehört der Reumannhof zu den bemerkenswertesten Gemeindebauten der Stadt. Das streng symmetrische Grundkonzept eines "Ehrenhofes" mit zwei seitlichen Gartenhöfen und die architektonische Ausgestaltung mit einem monumentalen Mittelteil veranschaulichen hier erstmals die Idee des "Volkswohnpalastes".

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Vieles erinnert an eine Schloss- oder Palastanlage, wobei auch Anregungen von den großen Stiftshöfen und Freihäusern des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts übernommen wurden. Das brachte dem Architekten Gessner nicht nur scharfe Kritik von Seiten des politischen Gegners, sondern auch von manchen seiner Kollegen wie etwa Josef Frank ein, die bemängelten, dass sich hinter den "heroischen Fassaden" doch nur Kleinstwohnungen verbargen.
 
Interessant ist, wie in dieser frühen Phase des kommunalen Wohnbaus "bürgerliche" Motive wie Erker, Loggien und Balkone zwanglos mit Elementen der damaligen Moderne, wie Eckfenstern und Flachdächern, kombiniert wurden (Podbrecky, 2003).
 

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Architektonisches Herzstück des Reumannhofes ist der Ehrenhof mit den symmetrisch verlaufenden Pergolen, die den Platz auch vom Gürtel abschirmen, einem Brunnen und der Reumann-Büste von Franz Seifert (1926). Zu beachten sind weiters die Portale, die vom Ehrenhof zu den tiefergelegenen Seitenhöfen führen und mit farbigen Keramiktafeln mit Handwerkersymbolen verziert sind, sowie die Elemente aus Guss- und Schmiedeeisen – alles mit sehr viel Liebe zum Detail entworfen.

Der imposante Mittelblock, in dessen Erdgeschoss sich der Kindergarten (mit Putti von Max Krejca) befindet, war von Gessner ursprünglich als zwölfgeschossiges, 40 Meter hohes Hochhaus konzipiert und hätte damit Wiens erstes Hochhaus mit insgesamt 2.500 Wohnungen werden sollen. Aus Kostengründen entschloss man sich jedoch, den Turm auf acht Geschosse zu reduzieren. Außerdem hätte man, so Stadtrat Franz Siegel, "Wasser-, Feuer- und Aufzugssorgen".

 
TF_Reumannhof6_Wiener_Wohnen_Bausteine_Foto_Gerry_FrankIm Bürgerkriegsjahr 1934 war der Reumannhof ein Hauptstützpunkt des Republikanischen Schutzbundes. Am 12. Februar 1934 brachen gegen 14 Uhr die Kämpfe aus, als Polizeieinheiten versuchten, den Reumannhof zu besetzen. Trotz Verstärkung und Militärassistenz gelang es der Polizei zunächst nicht, den Bau einzunehmen. Erst nach dem Zusammenbruch des Generalstreiks kapitulierten die im Reumannhof verbarrikadierten Schutzbündler. Zum Gedenken an diese Ereignisse wurde am 12. Februar 1984 eine Gedenktafel enthüllt.

Die in den Jahren 1993 bis 1996 erfolgte Sanierung des Reumannhofes wurde 1997 mit dem Stadterneuerungspreis ausgezeichnet.
 
Der Reumannhof gilt als "Herzstück" der "Ringstraße des Proletariats" – jenem Gürtelabschnitt, dem der Waschsalon Karl-Marx-Hof 2015 eine Sonderausstellung widmete.

Literatur: Hans und Rudolf Hautmann, Die Gemeindebauten des Roten Wien 1919–1934, 1980; Inge Podbrecky, Rotes Wien, 2003; Helmut Weihsmann, Das Rote Wien. Sozialdemokratische Architektur und Kommunalpolitik 1919–1934, 1985/2002; Walter Zednicek, Architektur des Roten Wien, 2009.