Matteottihof

5., Siebenbrunnenfeldgasse 26-30

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Die in den Jahren 1926/27 nach Plänen von Heinrich Schmid und Hermann Aichinger errichtete Wohnhausanlage mit 452 Wohnungen wurde als Zeichen der internationalen Solidarität im Kampf gegen den Faschismus nach Giacomo Matteotti (1885–1924) benannt.

"Die Eröffnungsfeier hatten die Margaretener Genossen, die stolz darauf sind, daß der Matteotti-Hof in ihrem Bezirk liegt, schon Samstag abend mit einem Fackelzug eingeleitet, an dem sich sechstausend Menschen aus Margareten und den benachbarten Bezirken beteiligten", schrieb die Arbeiter-Zeitung am 18. Juni 1928.

Matteotti war Generalsekretär der Sozialistischen Partei Italiens und einer der schärfsten Kritiker Mussolinis. Er wurde am 10. Juni 1924 in Rom von Mitgliedern eines faschistischen Kampfbundes entführt und ermordet.

Seine Mörder wurden im März 1926 großteils freigesprochen, drei der Haupttäter zu je fünf Jahren Gefängnis verurteilt, aber bereits nach zwei Monaten von König Viktor Emanuel III. begnadigt. 1934 wurde der Hof von den Austrofaschisten nach einem "Märtyrer" des italienischen Faschismus, der 1920 von Kommunisten erschossen worden war, in "Giordanihof" umbenannt – eine der vielen Demutsgesten Dollfuß' gegenüber dem Duce.

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Der Matteottihof bildet den Kern der am Gürtel gelegenen Gemeindebauten im 5. Bezirk; er besitzt zwar keine Fassade zum Gürtel, ist aber städtebaulich sehr geschickt in das Gesamtensemble eingepasst und deutlich auf die Nachbarbauten (Metzleinstaler Hof und Herweghhof) ausgerichtet. Seine monumentale Toreinfahrt über der Fendigasse mit dem darüberliegenden Wohnblock und den vorgelagerten Geschäftslokalen markiert wie ein Stadttor den Eintritt in eine urbane Zone.

Da das Grundstück des Matteottihofes unregelmäßig ist und durch asymmetrisch geführte Straßen und mehrere Höfe erschlossen wird, entsteht hier eine nahezu pittoreske Stadtstruktur mit zahlreichen Infrastruktureinrichtungen (Podbrecky, 2003).

An der Ecke Fendigasse / Einsiedlergasse ist ein interessantes Sgraffito erhalten geblieben, das eine Mutter mit Kindern in futuristischer Stadtlandschaft zeigt.

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In der Anlage befanden sich die damals "größte Waschküche" Wiens, eine Badeanstalt, ein Jugendamt, eine Mutterberatungsstelle, ein Hort, zahlreiche Geschäfte sowie eine alkoholfreie Gaststätte.

Die Fassaden des Matteottihofes werden durch polygonale und runde Erker sowie durch Eckloggien belebt. Besonders schön sind auch die verschiedenartigen Beleuchtungskörper in den Höfen. An der Durchfahrt zur Fendigasse befindet sich ein Bronzereliefbild Matteottis (1934 entfernt, 1966 von Luise Wolf neu geschaffen).

2015 zeigte der Waschsalon Karl-Marx-Hof eine Sonderausstellung über "Die Ringstraße des Proletariats"; der Matteottihof ist Teil dieses politischen Gegenentwurfs zur bürgerlichen Ringstraße.

Nach dem Generalsekretär der Sozialistischen Partei Italiens wurde 1927 auch der Matteottiplatz (mit dem Matteottibrunnen) in der Wohnhausanlage Sandleiten im 16. Bezirk benannt.

Literatur: Die Wohnhausanlage der Gemeinde Wien im V. Bezirk, Margaretengürtel 76, 78, 80, Margaretengürtel 82 (Herwegh-Hof), Fendigasse 36, 37 (Matteotti-Hof), Festbroschüre; Hans und Rudolf Hautmann, Die Gemeindebauten des Roten Wien 1919–1934, 1980; Inge Podbrecky, Rotes Wien, 2003; Helmut Weihsmann, Das Rote Wien. Sozialdemokratische Architektur und Kommunalpolitik 1919–1934, 1985/2002; Walter Zednicek, Architektur des Roten Wien, 2009.