Brünner Nationalitätenprogramm

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Auf ihrem Parteitag im September 1899 in Brünn beschlossen die Sozialdemokraten ein Grundsatzprogramm zur Lösung der Nationalitäten- und Sprachenfrage der Monarchie im Sinn der Gleichberechtigung der Völker. In diesem sogenannten "Brünner Programm" forderten sie nichts weniger als die Umbildung der Monarchie in einen demokratischen Bundesstaat autonomer Völker. An der Formulierung des Programms war Victor Adler maßgeblich beteiligt.

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Das Brünner Nationalitätenprogramm stellt einen Meilenstein in der Entwicklung der Sozialdemokratie, aber auch in der Entwicklung der Ideen zu einem friedlichen Zusammenleben verschiedener ethnischer Gruppen dar. Durch die implizite Anerkennung des Habsburgerstaates als "Nationalitätenbundesstaat" avancierte die Sozialdemokratie zu einem "respektablen", weil staatserhaltenden und stabilisierenden Faktor – eine Tatsache, die vielfach auch heftig kritisiert wurde.

Die Geschichte ging allerdings über das ehrgeizige Programm hinweg. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie kam es sehr rasch zur Bildung neuer Nationalstaaten mit durchwegs gemischter Nationalitätenbevölkerung. Die weiterhin ungeklärte Nationalitätenfrage bildete später eine der Ursachen für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges – zumindest lieferte sie den Nationalsozialisten einen willkommenen Vorwand für ihre aggressive Politik noch vor Kriegsausbruch.

Literatur: F. Zwitter und A. Malle (Hrsg.), Das Brünner Nationalitätenprogramm der österreichischen Sozialdemokratie von 1899, 2003.