Braunthal, Julius

5.5.1891, Wien – 28.4.1972, London/Teddington (GB)

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Julius Braunthal wuchs in einem traditionellen jüdischen Milieu auf und besuchte als Kind eine Talmud-Thora-Schule. Mit 14 Jahren begann er eine Buchbinderlehre und wurde Mitglied des Verbandes jugendlicher Arbeiter. 1905 trat Julius Braunthal der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei bei und sammelte bei der "Nordböhmischen Volksstimme" erste journalistische Erfahrungen.

1919 trat er als innenpolitischer Redakteur in die Arbeiter-Zeitung ein, übernahm 1923 von Friedrich Adler die Schriftleitung der Monatsschrift "Der Kampf" und redigierte ab 1924 die Mitgliederzeitschrift "Sozialdemokrat".

Ab 1926 betrieb Julis Braunthal mit Nachdruck die Gründung des Kleinen Blattes, das schließlich ab 1927 auch erschien: Ich dachte mir nun, es müßte möglich sein, eine saubere, leicht faßlich geschriebene Tageszeitung zu schaffen, die die Phantasie der Massen fesselt und ihr Lesebedürfnis befriedigt – eine sozialistische Volkszeitung, die trotz ihrer klar abgezeichneten Haltung die Parteiterminologie vermeidet und in der einfachen Sprache des Volkes zum Volk spricht. Julius Braunthal, 1964

Braunthal war von 1927 bis 1934 Chefredakteur des Kleinen Blattes, ab 1929 auch Chefredakteur des Kuckuck und damit einer der führenden Journalisten der Sozialdemokratie während der Ersten Republik.

Als eines der führenden Mitglieder der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und als Angehöriger des Republikanischen Schutzbundes wurde Braunthal im Februar 1934 verhaftet und ein Jahr im Anhaltelager Wöllersdorf gefangengehalten. 1935 verließ Julius Braunthal Österreich, lebte zunächst in Belgien und ab 1936 in England, wo er weiterhin publizistisch tätig war (z.B. beim "International Socialist Forum").

Nach Kriegsende war Braunthal zunächst Sekretär des Komitees der Internationalen Sozialistischen Konferenz (Comisco, 1949–1951), 1951 Mitbegründer und bis 1956 Sekretär der Sozialistischen Internationale. Im Ruhestand widmete sich Braunthal mit voller Energie der Schriftstellertätigkeit.

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Wie kein anderer hat Julius Braunthal dabei den beinahe religiösen Geist dargestellt, der viele Menschen im "Roten Wien" beseelte: Die Intensität des Gemeinschaftslebens erzeugte eine neue psychologische Haltung der Massen [...] Ihre Stellung in der Bewegung verlieh ihrem Dasein eine neue Bedeutung und erfüllte ihr Leben mit einem neuen Inhalt. Die Menschen sahen ihre Arbeit verwirklicht in den Wohnstätten und Gärten, in den Kinderfürsorgeinstitutionen und Schulen, in den Bibliotheken und Bädern, die vor ihren Augen entstanden. (Auf der Suche nach dem Millennium, 1964, 248f).

1971 erhielt Julius Braunthal den Preis der Stadt Wien für Publizistik.

2017/18 zeigte der Waschsalon Karl-Marx-Hof unter dem Titel "Presse und Proletariat" eine Sonderausstellung über die Sozialdemokratischen Zeitungen im Roten Wien.

Werk: Die Arbeiterräte in Deutschösterreich, 1919; Die Wiener Julitage 1927, 1927; 40 Jahre 1. Mai, 1929; Festschrift zur 2. Arbeiter-Olympiade, 1931; Need Germany survive?, 1943; The paradox of nationalism, 1946; The tragedy of Austria, 1948; Auf der Suche nach dem Millennium, 1964; Victor und Friedrich Adler. Zwei Generationen Arbeiterbewegung, 1965; Geschichte der Internationale, 1974.