12. November 1918

 

Am 21. Oktober 1918 versammeln sich die deutschsprachigen Abgeordneten der Monarchie – 232 Mandatare der Wahl von 1911, unter ihnen auch Sudetendeutsche, Südtiroler und Untersteirer – als Provisorische Nationalversammlung für Deutschösterreich im Niederösterreichischen Landhaus. Der Sozialdemokrat Karl Seitz wird Dritter Präsident dieser Versammlung, die in ihrer Proklamation an das "deutschösterreichische Volk" die Errichtung eines Staates aller deutschsprachigen Siedlungsgebiete der Monarchie fordert. Wenige Tage später bildet Heinrich Lammasch die letzte, bereits machtlose kaiserliche Regierung.

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Am 30. Oktober 1918 nimmt die "Provisorische Nationalversammlung" die vom Sozialdemokraten Karl Renner ausgearbeitete "Provisorische Verfassung" an. Renner wird Staatskanzler der ersten "deutschösterreichischen" Regierung, Victor Adler übernimmt das Außenamt, Ferdinand Hanusch das Staatssekretariat für Soziale Fürsorge. Die übrigen Ämter werden mit Deutschnationalen und Christlichsozialen besetzt. Tags darauf übergibt Lammasch die Regierungsgewalt an die neue Regierung.

Am 1. November fordert ein Parteitag der Sozialdemokraten die Errichtung einer Republik. Zwei Tage später, am 3. November, wird der Waffenstillstand zwischen Österreich und der Entente unterzeichnet. Der Krieg ist zu Ende.

Am 11. November, dem Tag der de facto Kapitulation Deutschlands, legt Renner am Vormittag dem Staatsrat den Gesetzesentwurf für die Ausrufung der Republik vor. Nachmittags verlässt Kaiser Karl Schloss Schönbrunn. Bittere Ironie der Geschichte: Einen Tag vor Ausrufung der Republik stirbt Victor Adler unerwartet.

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Am 12. November 1918 gegen 16 Uhr ruft die Provisorische Nationalversammlung auf Antrag Renners die Republik "Deutschösterreich" aus. Im Friedensvertrag von Saint-Germain (1919) wird der Republik die Führung dieses Namens allerdings untersagt werden.
Auf der Ringstraße vor dem Parlament haben sich an diesem historischen Tag zehntausende Menschen versammelt, um die Ausrufung der Republik zu feiern. Als erstmals die neuen rot-weiß-roten Fahnen aufgezogen werden sollen, dringen Angehörige der "Roten Garde", einer linksradikalen Einheit, zu den Fahnenmasten vor und schneiden die weißen Mittelstreifen aus den Fahnen. Bei den folgenden Tumulten fallen mehrere Schüsse. Die traurige Bilanz dieses Tages, der zu einem Festtag des neuen Österreich hätte werden sollen, lautet zwei Tote und mehr als vierzig Verletzte.